2015 - Der Lahnradweg - Unterwegs mit Rad und Kanu...

Von Bad Laasphe bis zum Lahnkopf und dann über Marburg und Wetzlar bis Diez. Entlang an der beliebtesten Wasserstraße Deutschlands und einen Tag mit dem Kanu auf dem Wasser. Mitten durch eines der schönsten Natur- und Vogelschutzgebiete

 

1. Bad Laasphe bis zur Lahnquelle und nach Marburg - 116 km

Auf diese Tour freuten wir uns schon lange, denn dieses Mal wollten wir nicht nur mit dem Rad einen der schönsten und beliebtesten Fernradwege Deutschland erkunden, nein wir wollten auch Teil der Strecke werden. Nirgendwo geht das besser, als an der Lahn und so planten wir einen Tag auf dem Wasser ein. Als eine der beliebtesten Wasserstraßen Deutschlands bietet die Lahn vielfältige Möglichkeiten für Wasserwanderer. Eine Kanufahrt mitten durch die Vogelreservate, Naturschutzgebiete und Auen ist ein wahres Erlebnis. Man ist so mit der Natur verbunden, dass man sich manchmal nicht einmal traut, das Paddel einzutauchen um durch das Plätschern die ehrfurchtsvolle Ruhe zu stören. Eine Radreise entlang des Flusses steht für Stille und Zauber in einer märchenhaften Landschaft und führt in seinem Verlauf durch reizvolle und abwechslungsreiche Landschaften mit Wäldern, Hügeln, Wiesen, Auen und steilen mit Felsen gespickten Hängen. Historische Orte und Städte mit vielfältigen Sehenswürdigkeiten liegen entlang des Radwegs. Den Ursprung hat die Lahn inmitten stiller Wälder des Rothaargebirges in der Mittelgebirgsregion Siegerland-Wittgenstein, der waldreichsten Region Deutschlands. Nachdem die Lahn in der Region Biedenkopf das Bergland verlassen hat, weitet sich das Lahntal und geht in eine Hügellandschaft über. Die Lahn verläuft dann durch fruchtbares und offenes Auenland bevor die Hänge des mittleren Lahntals näher rücken und ein schluchtartiges Tal bilden. Ein Großteil des Lahntalradwegs verläuft auf asphaltierten Radwegen. Im Oberlauf werden teilweise Waldwege mit asphaltiertem oder wassergebundenem Naturbelag einbezogen. 2006 wurde der Lahntalradweg mit der ADFC-Zertifizierung 4-Sterne ausgezeichnet. Im oberen Routenverlauf von der Quelle bis Biedenkopf hat der Lahntal-Radweg insbesondere Naturliebhabern viel zu bieten. Die Region ist dünn besiedelt, das geringe Verkehrsaufkommen verläuft zudem in deutlicher Entfernung zum Radweg und durch idyllische Orte, wo man den Eindruck hat, die Zeit sei stehengeblieben. Wir luden schon donnerstags die Räder samt Gepäck ins Auto, um kurz nach Feierabend schon unser neues Abenteuer zu starten. Um keine Zeit zu verlieren wollten wir das erste Stück bis Wiesbaden Hauptbahnhof möglichst schnell hinter uns bringen. Nach einer knappen halben Stunde Fahrtzeit erreichten wir unsere Parkmöglichkeit in Wiesbaden und beluden die Räder. Es hatte den ganzen Tag genieselt und der Himmel war grau verhangen. Doch jetzt kam die Sonne heraus und verwöhnte uns mit ihren warmen Strahlen. Beste Voraussetzungen für unsere Tour. Gut gelaunt starten wir durch den dichten Verkehr in Richtung Bahnhof. Nach einer Weile erreichten wir den Radweg und nach wenigen Minuten den Hauptbahnhof. Wir waren gut in der Zeit und konnten so noch etwas Reiseproviant einkaufen gehen. Nach kurzem Warten auf dem sonnigen Bahnsteig ging es endlich in Richtung Frankfurt los. Dort noch ein kurzer Aufenthalt und schon wurden wir mit der harten Realität der Deutschen Bahn konfrontiert. Aufgrund eines Triebwagen-Ausfalls wurde unser Zug um einen Waggon verkleinert und wir saßen ohne Platzreservierung im dichten Gedränge der Feierabendpendler wie die Ölsardinen in der Büchse. Nach einiger Fahrtzeit, je weiter wir uns von Frankfurt entfernten, wurde es wieder etwas lichter im Zug und wir konnten uns wieder unterhalten, vorher hatten wir uns fast nicht sehen können. Schnell vergaßen wir die Anfangsschwierigkeiten und die vorbeihuschende, malerische Landschaft Hessens zog uns in den Bann. Wir freuten uns auf unsere Tour und wären am liebsten losgeradelt. Noch einmal umsteigen hinter Marburg und schon rollten wir in Bad Laasphe die Räder aus dem Zug. Wir fuhren mit dem Navigationsgerät zu unserer Pension, einer alten Brauerei in der Altstadt. „Zur Sonne“ stand groß über dem Eingang und das war wahrlich ein gutes Omen. Als wir die Gaststube betraten begrüßt uns die Wirtin, eine flotte Mittdreißigerin, freundlich und reichte uns die Zimmerschlüssel. Wir bezogen ein komplett frisch renoviertes, und mit viel Liebe zum Detail ausgestattetes Zimmer wo man direkt merkte, dass hier in diesem Haus sich irgendwie alles um den Gerstensaft drehte. Wo anderswo ein Stillleben mit Blumen und Landschaften über dem Bett hingen, waren es hier Bilder von Brauhefe unter dem Mikroskop oder ein Stillleben von Bierfässern mit Kerze. Wir fühlten uns sofort wohl und gingen ein Stockwerk tiefer in die Gaststube. Hier wurde noch selbst gebraut und so bestellten wir unterschiedliche Biere aus dem Sortiment, frisch vom Fass. Samira, unsere freundliche Wirtin brachte uns eine riesige Portion Strammen Max zum Abendessen. Schnell kamen wir ins Gespräch und wir nahmen nach dem Essen bei den Wirtsleuten am Tresen Platz. Es wurde noch ein schöner, sehr interessanter Abend und wir konnten einige Geschichten von unseren vergangenen Touren zum Besten geben. Zu später Stunde verabschiedeten wir uns zur Nacht freuten uns auf den nächsten Tag.

Etappe 1

Am nächsten Morgen galt unser Blick, wie immer, aus dem Fenster. Wolkenverhangener Himmel ließ unseren Plan heute Morgen schon kurzärmlig zu fahren fürs erste einmal hintenanstehen. Wir trösteten uns damit, dass die Wettervorhersage zumindest keinen Regen voraussagte und gingen einen Stock tiefer zum Frühstücken. Als wir die Gaststube betraten, begrüßte uns Samira mit übersprühender, guter Laune. Der reich gedeckte Frühstückstisch und die sehr um uns bemühte Wirtin ließen uns zweifeln, ob wir nicht hier Station beziehen sollten um wie am Radschmetterling nach ausgedehnten Tagestouren, abends wieder hier zu stranden. Aber wir waren ja nicht zum Spaß unterwegs und die Strecke rief. So gern wir noch ein wenig geblieben wären, mahnte uns ein Blick auf die Uhr zum Aufbruch. Samira verabschiedete uns, nicht um vorher genau zu kontrollieren, ob wir nicht doch mit Pedelecs losfahren würden. So ganz schien sie uns die Geschichten vom Vorabend nicht abgenommen zu haben. Vorsorglich mit Regenjacken, aber mit kurzen Hosen schwangen wir uns in den Sattel und radelten durch die Altstadt von Bad Laasphe. An der ersten Kreuzung bogen wir nach rechts auf die Hauptstraße ab, der wir zunächst durch den Ort folgten. Am Ortsausgang gabelte sich der Weg. Es ging rechts und geradeaus zum Lahnkopf. Nach kurzer Überlegung entschlossen wir uns dem Navi zu folgen und blieben auf der Hauptstraße, zu der sich nach ein paar hundert Metern ein Radweg gesellte. So ging es durch ein bewaldetes Tal über Laaspherhütte und Herbertshütte nach Banfe. Dort bogen wir rechts ab und machten uns an den Anstieg auf den Lahnkopf. Es ging stetig und teilweise heftig bergauf. Wir bereuten, uns beim Frühstück nicht etwas zurückgehalten zu haben und keuchten den Berg hinauf. Obwohl es nicht warm war, lief uns der Schweiß in Strömen. Die knapp 500 Höhenmeter mussten in weniger als 7 km bewältigt werden. Teilweise waren es 10% und mehr. Wir wurden mit einem fantastischen Ausblick verwöhnt, wenn wir uns umdrehten. Leider war keine Weitsicht bei dem trüben Wetter möglich. Der Weg führte uns auf der Landstraße nach oben. Es war kaum Verkehr und wir fuhren teilweise am Waldrand oder durch den Wald hindurch. Als wir auf dem Gipfel ankamen fing es langsam an zu regnen. Wir hatten unseren treuen Begleiter durch alle unsere Touren, den Regen, eigentlich nicht wirklich vermisst. Aber da wir nicht damit gerechnet hatten, dass wir diese Tour ohne ihn fahren würden, ließen wir uns auch nicht die Laune verderben. Wir radelten wieder etwas bergab zum Lahnkopf, der offiziellen Quelle der Lahn. Am Forsthaus Lahnquelle in Netphen rasteten wir und schauten uns die imposante Quelle näher an. Für den Unwissenden schien sie eher wie ein mit Teichlinsen überwucherter kleiner Tümpel und ein Blick in das Allwissende Internet bestätigt, dass dieses „Lahntopf“ genannte Sammelbecken zu früheren Zeiten auch als Löschwasserteich genutzt wurde. Fakt ist, dass die Lahn hier aus insgesamt sieben unterirdischen Zuläufen entsteht, die sich im Lahntopf sammeln und von dort aus ihren fast 250 km langen Weg, bis in den Rhein, beginnt. Wir machten noch ein paar Erinnerungsfotos und rasteten, in der Hoffnung, den Regen aussitzen zu können, im Forsthaus bei einer Tasse heißen Kaffees. Der Wirt, der aufgrund des schlechten Wetters wenig zu tun hatte, riet uns bei der Abfahrt den Weg durch den Wald zu nehmen, da dieser zwar nicht durchweg asphaltiert, aber trotzdem sicherer als über die Straße wäre. Wir schwangen uns wieder in den Sattel und fuhren ein Stück zurück bis zur Abzweigung in den Wald. Es war wirklich angenehmer hier zu fahren. Zwar war es holprig und teilweise rutschig, aber durch den dichten Wald blieben wir einigermaßen trocken. Zeitweise konnten wir einen Blick auf den kleinen Graben werfen, in dem die Lahn, hier noch als kleines Rinnsal, vor sich hinplätscherte. Nach einigen Waldweg-Kilometern lichtete sich der Wald allmählich und wir strampelten durch ein weites Tal mit wenigen Aussiedlerhöfen und kleine Häusern. Der Regen hatte etwas nachgelassen und wir waren guter Dinge heute doch noch einigermaßen trocken davon zu kommen. Das erste Dorf nach langer Zeit war Volkholz, das wir seitlich umfuhren um gleich danach wieder nach rechts auf einen weichen, schlammigen Feldweg abzubiegen der wieder in den Wald führte. Wir fuhren im Wald, konnten aber den Waldrand sehen. Es war eine traumhaft schöne Strecke durch den Wald. Mal ging es steil nach oben, mal konnten wir wieder abwärtsrollen. Die Regen war allgegenwärtig, aber wir bekamen nicht viel davon mit, da uns abwechselnd ein Blätter- oder Nadeldach schützte. Es war eine herrliche Ruhe, nur unterbrochen von den Geräuschen der Natur und obwohl wir nicht sehr weit von der Straße entfernt radelten, war von ihr nichts zu hören. Die frische Waldluft roch angenehm nach Moos, Tannen und Holz. Es ging eine ganze Weile so weiter bis wir plötzlich bergab aus dem Wald wieder auf freies Feld fuhren. Glücklicherweise hatte der Regen etwas nachgelassen und wir fuhren neben einer schmalen Landstraße auf dem Radweg. An einer Weggabelung folgten wir dem Radweg nach rechts in Richtung Wald, während wir die Straße hinter uns ließen. Nach einem kurzen Waldstück erreichten wir Feudingen und fuhren durch die ruhigen, fast autofreien Straßen. Etwa in der Ortsmitte bogen wir erneut nach rechts ab, fuhren durch Feudingerhütte hindurch und dann wieder die gewohnten, herrlichen Waldwege bergauf und um den Berg herum. Als wir nach einiger Zeit wieder aus dem Wald heraus in ungeschütztes Gelände fuhren, setzte ein Regenschauer ein und wir flüchteten uns unter einen Carport, der günstiger Weise gerade am Wegrand Schutz bot. Wir nutzten die Zwangspause um uns mit einem Müsliriegel und etwas Mineralwasser zu stärken. Als der Regen etwas nachließ, starteten wir wieder auf den schwammigen Radweg um kurz danach wieder Schutz im Wald zu finden. Dort fuhren wir eine gefühlte Ewigkeit durch den Wald um dann urplötzlich wieder an der bekannten Kreuzung in Bad Laasphe zu stehen, an der wir uns heute Morgen für die steile Route über die Hauptstraße entschieden hatten. Da fiel uns auf, wie dämlich wir waren, wir hatten die ganze Zeit unser Gepäck mitgeschleppt. Das hätten wir ganz bequem bei Samira im Brauhaus zur Sonne parken können. Dann hätten wir jetzt eine Tasse Kaffee genommen und wären mit Gepäck weitergefahren. Man(n) lernt nie aus. Etwas boniert über die eigene Dummheit fuhren wir auf der Hauptstraße durch Bad Laasphe als der nächste Regenschauer uns unserer der Lethargie riss. Wir retteten uns klitschnass ins Stehcafé eines Supermarktes. Dort warteten wir den Regenguss mit einer Tasse Kaffee und belegten Brötchen ab. Es dauerte zum Glück nicht lange und wir konnten unsere Fahrt in Richtung Marburg fortsetzten. Wir radelten entlang der vielbefahrenen Hauptstraße aus Bad Laasphe heraus. Was nun kam, hatten wir am Vortag schon aus der Bahn gesehen. Wir radelten entlang der hier schon etwas breiteren Lahn die man an manchen Stellen durchaus schon als größeren Bach bezeichnen konnte bis zum Amalienhütter Weiher, bogen nach links ab und fuhren über Wallau nach Ludwigshütte. Die Fahrt ging meist über freies Feld und entweder entlang, oder auf einer schmalen Landstraße. Von weitem war Schloß Biedenkopf zu sehen. Das ließen wir auf der linken Seite liegen und streiften nur die Randgebiete von Biedenkopf um dann wieder aufwärts einen Waldweg durch den dichten Wald zu befahren. Es ging rasant aus dem Wald heraus und wir folgten dem Radweg durch Eckelshausen, vorbei an Kombach bis nach Friedensdorf. Dort wurde die Strecke wieder etwas belebter und wir mussten teilweise auf, oder an einer stark befahrenen Hauptstraße fahren. So oft es ging nutzten wir die Wirtschaftswege um nicht direkt dem Verkehr ausgeliefert zu sein. Schnell erreichten wir Buchenau und bogen hier rechts ab um entlang der Bahnlinie, die wir schon vom Vortag kannten weiter zu radeln. Nach kurzer Zeit gabelte sich der Weg und wir entfernten uns nach rechts von der Zugstrecke durch ein Industriegebiet. Nun ging es wieder über freies Feld auf gut ausgebautem Radweg, fern von der Straße durch saftige Wiesen und Felder. Wir zogen einen großen Bogen und mussten dann doch wieder, nach erneuter Querung, der immer breiter werdenden Lahn, zurück an die Bundesstraße. Wir machten Tempo um schnellstmöglich wieder von der Straße wegzukommen und fuhren bei der ersten Gelegenheit, wieder rechts abbiegend, nach Kernbach, nicht ohne wieder die Lahn auf einer schönen, alten Bogenbrücke zu überqueren. Wir fuhren bis ans Wehr, wo am Vortag noch, junge Leute den Feierabend mit Lagerfeuer und Flaschenbier verbracht hatten. Das Wetter hatte sich etwas stabilisiert, zwar war der Himmel grau, aber es regnete nicht mehr. Vom Wehr ging es wieder durch ein Waldstück, vorbei an schönen, malerischen Aussiedlerhöfen nach Caldern. Am Ausgang von Caldern querten wir zum wiederholten Male die Lahn und bogen rechts auf einen gut ausgebauten und als Radweg gekennzeichneten Wirtschaftsweg ab. Dieser führte uns nach Sterzhausen. Weiter ging es entlang der Bahnstrecke nach Goßfelden und weiter über freies Feld und später entlang des Waldrandes bis nach Cölbe. Dort machten wir kurz in einer Bäckerei Rast und gönnten uns eine Tasse Kaffee und ein Teilchen. Gestärkt machten wir uns daran die letzten Kilometer nach Marburg abzuspulen. Es ging vorbei an Wehrda und immer an der Lahn entlang bis nach Marburg. Kurz vor Marburg fuhren wir entlang der Autobahn, bis wir endlich erneut die Lahn in Richtung Innenstadt querten. Wir fuhren nun direkt am Ufer entlang mussten nach einer Weile auf die andere Seite wechseln. Hier ging es im Slalom durch zahlreiche Jogger, Inlineskater und Spaziergänger vorbei an einem weiteren Wehr bis zur Jugendherberge, unserem heutigen Zielpunkt. Zu unserer Überraschung erwiderte der Herbergsvater auf unsere Frage nach dem Zimmer: „Sie haben zwei Betten in einem Mehrbettzimmer gebucht...“, „Nein, wir haben leider keine Einzelzimmer mehr frei…“ Da hatten wir wohl bei der Buchung etwas übersehen, aber die knapp 120 km forderten ihren Tribut. Wir hatten keine Lust noch weiter zu fahren und außerdem war es auch schon recht spät. Wir schnappten uns die Bettbezüge und stiegen die Stufen zu unserem (Mehrbett-) Zimmer hinauf. Es waren 6 Betten, wovon drei bereits belegt waren. Alle Steckdosen waren schon mit Ladegeräten von Handys belegt. Während wir duschten ließen wir schnell unser NAVI ein wenig Strom tanken und machten uns danach auf den Weg in die Stadt. Gleich neben der Jugendherberge war ein Sportplatz, wo offenbar eine mehrtägige Leichtathletik-Veranstaltung stattfand. Das war offenbar auch der Grund für die vollbesetze Herberge. Gegenüber war eine Fußgängerbrücke über die Lahn, von der man einen sehr schönen Blick auf das Schloss und darunterliegende Altstadt hatte. Das Geländer der Brücke war, ähnlich wie in Köln, über und über mit Schlössern, die als Treuebeweis dienten, behängt. Das Marburger Schloss gehört zu den prägnantesten Bauwerken in der Stadt Marburg. Es wurde als Burg im 11. Jahrhundert angelegt und ist als erste Residenz der Landgrafschaft Hessen bekannt. Es liegt auf dem 287 m hohen Schlossberg von dem man einen schönen Blick über das Lahntal hat. Wir stärkten uns zunächst bei einem deftigen Abendessen, bevor wir das Schloss erkundeten. Schon beim Aufstieg passierten wir die Altstadt und konnten erkennen, dass uns hier heute noch ein weiteres Highlight erwartete. Auf dem Marktplatz sollte heute ein Open Air Musical aufgeführt werden und das alte Rathaus von Marburg war die Kulisse. „CINDERELLA – A ROCK 'N' ROLL FAIRYTALE Open Air-Spektakel“ stand überall an jeder Ecke zu lesen. Beginn 20:45 Uhr, da hatten wir noch etwas Zeit. Wir erklommen den Schloßberg, besichtigen das Schloß mit seinen Gärten und genossen den Blick ins Lahntal und über die Stadt. Nach einer Weile schlenderten wir wieder in die Altstadt und nahmen die letzten zwei freien Plätze im Außenbereich einer urigen Kneipe mit Blick aufs Rathaus ein. Aufgrund der etwas kühleren Temperaturen waren die Sessel mit Lammfellen belegt und alle zwei Tische stand ein Heizpilz. Hier konnte man es aushalten. Wir bestellten ein Bier und eine Antipastiplatte als Knabberzeugersatz und waren gespannt auf das, was gleich losgehen sollte. Wir saßen etwas erhöht und hatten eine gute Sicht auf das Spektakel und das sogar gratis. Während die zahlenden Besucher auf unbequemen Klappstühlen Platz nehmen mussten, saßen wir ganz bequem und folgten entspannt dem Treiben auf der Bühne. Das Wetter hielt und somit auch die Frisuren der Darsteller. Es war ein unterhaltsamer Abend und wir machten uns zu später Stunde im Laufschritt auf den Weg zurück in die Jugendherberge, die, das hatten wir ganz vergessen, um 23:00 Uhr schloss. Gerade noch rechtzeitig erreichten wir unsere Unterkunft und gingen noch auf einen kleinen Absacker in das Jugendherbergs Bistro. Als wir unseren Schlafsaal erreichten, waren alle Mitbewohner schon in den Betten. Wir machten kein Licht mehr an und legten uns leise ebenfalls hin.

 

 

 

2. Etappe - Von Marburg nach Weilburg - 88 km

Am nächsten Morgen waren wir in aller Frühe schon auf den Beinen, packten schnell unsere Sachen und verließen ohne unsere Zimmergenossen kennengelernt zu haben den Schlafsaal in Richtung Frühstück. Hier waren wir die ersten und ließen uns den frischgebrühten Kaffee schmecken. Wir frühstückten ausgiebig und saßen schon wieder auf den Rädern, als es im Frühstücksraum voller wurde. Da der Radweg direkt an der Jugendherberge vorbeiführte, waren wir schnell wieder auf der Strecke und fuhren einsam am Ufer der Lahn entlang. Die ersten Kilometer ging es noch durch Marburg und wir passierten ein Industriegebiet, bevor wir an Cappel vorbei bis nach Gisselberg kamen. Von dort aus fuhren wir weit entfernt von der Lahn entlang der Straße nach Niederweimar. Kurz nach dem Ortsausgang bogen wir links ab und fuhren durch die Felder, durch Argenstein und Roth bevor wir in Bellnhausen endlich wider die Lahn überqueren konnten. Weiter ging es unter einem Sonne-Wolkenmix bei angenehmen Temperaturen über Sichertshausen und wieder durch offenes Feld bis nach Röderheide. Wir strampelten weiter nach Odenhausen und querten erneut die Lahn. So ging es mal am rechten oder linken Ufer der Lahn aber immer in unmittelbare Nähe weiter über Ruttershausen, Lollar, Wißmar bis nach Gießen. Hier staunten wir nicht schlecht über die aufwendige Fußgänger- und Radlerhängebrücke, über die wir erneut aufs linke Ufer der Lahn wechselten. Wir machten einen Abstecher an das sogenannte Fischfenster an der Fischtreppe oder Wasserrutsche. Leider hatte es geschlossen. Da die Lahn durch den Regen der vergangenen Tage recht trüb war, wäre es ohnehin schwierig gewesen etwas zu erkennen. Aber bei klarer Sicht ist es schon ein Erlebnis. In der Fußgängerzone von Gießen war italienischer Markt und es dufte aus allen Ecken verführerisch nach mediteranen Spezialitäten. Wir nahmen in einem sonnigen Straßenkaffee Platz und bestellten uns einen Kaffee. Für „Ars Vivendi“ war es leider noch zu früh. Wir kehrten den Leckereien den Rücken und radelten wieder zurück zum Radweg an die Lahn. Nun ging es auf der rechten Seite direkt am Ufer entlang aus Giessen. Wir fuhren unter einer Brücke hindurch und passierten die nächste Fischtreppe. Eine Fischtreppe dient dazu, Fischen während ihrer Wanderung die Möglichkeit zu geben, Stauwehre oder Wasserfälle zu überwinden. Meist werden diese Fischtreppen auch von Kanufahrern als Abfahrt benutzt. Wir fuhren vorbei an Heuchelheim, wo wir über die Brücke auf die andere Seite der Lahn wechseln mussten. Danach ging es zwischen den zwei Seen hindurch zum Dutenhofener See der in unmittelbarer Nachbarschaft zur Lahn, nur getrennt durch einen schmalen Damm, liegt. Kurz darauf fuhren wir an schönen Feuchtbiotopen vorbei, wo einige Wasservögel zu beobachten waren. Weiter ging es über offenes Feld, etwas von der Lahn entfernt nach Lahnau, was wir nur am Rande streiften. Wir wechselten erneut auf einen Wirtschaftsweg, der vorbei an einem Storchennest durch die saftig, grünen Wiesen zurück an die Lahn führte. Nach ein paar Minuten bogen wir nach rechts ab und fuhren erneut durch die Wohngebiete von Lahnau um dann am Ortsrand wieder dem Radweg zur Lahn zu folgen. Wir kamen gut voran und radelten über Nauheim bis nach Wetzlar. Wir fuhren über die alte Lahnbrücke in die Altstadt, wo auf dem Marktplatz vor dem Dom gerade Wochenmarkt war. Das kam uns gerade Recht und wir versorgten uns mit einem deftig belegten Brötchen und etwas Obst. Auf den Stufen der Markttreppe machten wir kurz Pause und lauschten den Straßenmusikanten, welche in unmittelbarer Nähe redlich bemüht waren, ihr Repertoire mit Akkordeon und Saxophon zum Besten zu geben. Wir machten uns an die Erkundung von Wetzlar und schoben die Räder langsam durch die schönen Gassen. Die malerische Altstadt mit dem einzigartigen Dom beeindruckt die Besucher immer wieder. Überall sind sehenswerte, kleine Winkel und schön restaurierte Fachwerkhäuser. Im Lottehaus wird an Johann Wolfgang von Goethes Aufenthalt und seinen bekanntesten Roman „Die Leiden des jungen Werthers“ erinnert. Erneut schoben wir die Räder über die im 13. Jahrhundert erbaute Lahnbrücke und nutzen auf der gegenüberliegenden Seite das Angebot, mit der größten Spionagekamera der Welt ein Bild von uns, vor der alten Brücke mit sieben Bogen. Danach schwangen wir uns wieder in die Sättel und radelten zurück auf den Radweg. Wir fuhren zügig an der Lahn entlang und mussten nach der Eisenbahnbrücke wieder der Lahn den Rücken kehren. Nun führte der Radweg direkt an der vielbefahrenen Hauptstraße entlang. An der Lahn befindet sich auf dieser Strecke ein Vogelschutzgebiet, dessen Durchfahrt verboten ist. Es ging vorbei am Kloster Altenberg, durch das wenig sehenswerte Industriegebiet von Oberbiel weiter bis Niederbiel und dann bis zum Bahnhof von Leun. Hier rasteten wir kurz an einer schönen Bucht direkt an der Lahn, bevor wir wieder entlang der Bahnstrecke bis zur Brücke nach Leun weiterfuhren. Wir wechselten erneut auf die andere Lahnseite und fuhren durch Stockhausen nach Biskirchen. Hier befanden wir uns am tiefsten Punkt im Lahn-Dill Kreis mit nur knapp 135 Meter über NN. Nicht weit davon entfernt findet man den Getrudisbrunnen, den die Biskirchener und die Bewohner der Nachbarorte liebevoll "den Born." nennen. Die Quelle und das dazugehörige denkmalgeschützte Brunnenhäuschen sind als besonders wertvolle Heilquelle bekannt. Wir genossen das schöne Wetter und radelten weiter an der Landstraße entlang bis nach Löhnberg. Hier stießen wir endlich wieder an die Lahn und fuhren über eine Hängebrücke auf die andere Seite. Nur ein paar wenige Meter weiter rasteten wir an der alten Löhnberger Schleuse. Bei herrlichem Wetter gönnten wir uns auf der Sonnenterasse der dortigen Gastronomie eine deftige Bratwurst und ein schönes, kühles Weilburger Bier. Mit Blick auf die Ruine der Laneburg beobachteten wir das rege Treiben an der Schleuse, was uns schon einen kleinen Vorgeschmack über die Aktivitäten am nächsten Tag vermittelte. Am liebsten wären wir einfach hier sitzen geblieben, es war einfach zu idyllisch hier. Aber wir hatten in Weilburg bereits Zimmer gebucht, also setzten wir uns wieder auf die Räder und strampelten die letzten Kilometer entlang der Lahn über Ahausen bis nach Weilburg. Wir hatten ein Zimmer im alten Lahnbahnhof reserviert und konnten dort in der alten Gepäckaufbewahrung unsere Räder sicher abstellen. Unser Zimmer befand sich in der obersten Etage und wir schleppten die Packtaschen die vielen Stufen hoch. Nach einer Dusche machten wir uns zu Fuß auf, um Reiseproviant für die anstehende Kanutour am nächsten Tag einzukaufen. Der Lahnbahnhof liegt unten im Lahntal und ein Blick in Google Maps bestätigte, dass in der schnell erreichbaren Altstadt leider gänzlich keine Möglichkeit bestand etwas einzukaufen. Alle Supermärkte oder Einzelhandelsgeschäfte waren im auf dem Berg gelegenen Industriegebiet in knapp 2 km Entfernung. Als hätten wir uns noch nicht genug sportlich betätigt, stiegen wir zunächst die zahlreichen Stufen gegenüber dem Lahnbahnhof hoch um die angebotene Abkürzung zu nutzen und nicht komplett außen herum laufen zu müssen. Oben angekommen hatten wir einen schönen Blick auf das Lahntal und wanderten weiter den Berg hinauf bis zum örtlichen Herkulesmarkt. Hier kauften wir Proviant und Getränke für den nächsten Tag und schleppten alles wieder nach unten in den Lahnbahnhof und dann wieder rauf in unser Zimmer. Etwas außer Atem machten wir uns jetzt auf den Weg in die Altstadt. Wir passierten die Lahnbrücke von der man einen schönen Blick auf den Schiffstunnel hatte. Hier sollte morgen unsere Kanutour beginnen. Wir fuhren gegenüber des Parkhauses mit dem Fahrstuhl zum Stadttor von Weilburg hoch. Durch einen Torbogen hindurch, der aus Lahnmarmor besteht erreicht man innerhalb wenige Minuten die Altstadt. Uns knurrte der Magen und wir wurden schnell fündig. Wir nahmen aufgrund angenehmer Temperaturen im Gartenrestaurant an der Residenz Platz und stillten unseren Hunger mit deftigen Steaks. Mit vollem Bauch erkundeten wir danach die Residenz mit ihren schönen Gartenanlagen. Von hier oben hatte man einen schönen Ausblick auf die darunterliegende Stadt und das Lahntal. Die Lahn gabelte sich hier und führe beidseitig um Weilburg herum, was die Altstadt sozusagen zu einer Halbinsel machte. Nach einer Weile fiel uns auf, dass wir ziemlich die einzigen waren, die hier unterwegs waren. Die Straßen waren wie ausgestorben und bei genauerem Hinsehen, bemerkten wir, dass viele Geschäfte, Kneipen und Bars geschlossen hatten. Wir hatten uns noch auf ein Weilburger Bier gefreut aber das war offensichtlich hier nicht zu bekommen. Überall wurden, falls überhaupt offen, alle erdenklichen Biersorten angeboten, aber leider kein Weilburger, was uns am Nachmittag an der Schleuse schon so gut geschmeckt hatte. Nach einem Rundgang durch die leeren Gassen der Altstadt und dem vergeblichen Versuch durch den Tunnel wieder zurück zum Lahnbahnhof zu kommen, entdeckten wir einen Outdoorveranstalter, bei dem man im Indianer Wigwam schlafen konnte. Hier feierte eine Gruppe junger Leute am Lagerfeuer. Wir waren neugierig und schauten uns das etwas genauer an. In der Holzhütte hatte man ein Salatbuffet aufgebaut und dort wurden auch Getränke ausgeschenkt. Hier endlich wurden wir fündig und genossen doch noch ein kühles Weilburger. Leider war sonst in Weilburg nicht viel los. Die ganze Stadt machte irgendwie einen ausgestorbenen Eindruck. Zusammen mit den vielen geschlossenen Geschäften machte das einen Eindruck, als hätte man diese Stadt vergessen. Schade für eine so schöne Stadt. Wir kamen wieder an unserer Übernachtungsmöglichkeit an und setzten uns für einen Absacker auf den zur Terrasse umgestalteten Bahnsteig. Dort gesellte sich der Koch des Restaurants zu uns, der uns für die Zeit seiner Pause ein wenig Gesellschaft leistete. Nach einer netten Unterhaltung stiegen wir die vielen Stufen zu unserem Turmzimmer hoch schliefen schnell ein. Am nächsten Tag sollte ja unser nächstes Abenteuer auf uns warten.

 

 

 

Kanu/Rad-Etappe - Von Weilburg nach Limburg - 38 km

Mitten in der Nacht wurden wir durch lauten Donner geweckt. Ein schlimmes Gewitter peitschte den Regen gegen die Fenster und die Blitze machten unser Zimmer taghell. Es regnete in Strömen und das kündigte wohl den Wetterumschwung an, den die Prognose erst nach Ende der Tour vorausgesagt hatte. Nach einer guten Stunde legte sich der Sturm, aber der Regen blieb. Wir versuchten noch ein paar Stunden zu schlafen und wachten am nächsten morgen früh auf. Es regnete immer noch und ein Blick aus dem Fenster unseres Turmzimmers zeigte eine wenig einladende Kulisse. Riesige Pfützen überall in dem der prasselnde Regen Kreise bildete. Zu dem stieg von der Lahn her noch ein feuchter Nebel aus. Insgesamt eine ungemütliche und vor allem feuchte Aussicht auf den Tag. Wir packten unsere Siebensachen und gingen ins Restaurant zum Frühstück. Dort saß bereits eine Gruppe Radwanderer, die dort lautstark ihren Unmut über das heutige Wetter bekannt gaben. Wir kamen während des Frühstücks ins Gespräch und machten uns gegenseitig Mut, dem Wetter zu trotzten. Nach dem Frühstück zahlten wir unsere Zeche und schoben die Räder aus dem Gepäckaufbewahrungsraum. Wir hatten mit dem Kanuverleiher ausgemacht, dass dieser unsere Räder bis zum Endpunkt der Kanutour transportieren sollte. So konnten wir mit leichtem Gepäck reisen. Jedoch stellte sich hier erst einmal die Frage, ob wir diese Tour überhaupt erst antreten sollten. Bei den Wetteraussichten überlegten wir, ob wir nicht einfach mit dem Rad weiterfahren sollten, in der Hoffnung, dass Lahnabwärts das Wetter wieder besser werden würde. Wir fuhren missmutig durch den Nieselregen über die Brücke zum Kanuverleiher. Nach kurzer Diskussion versicherte uns dieser glaubhaft, dass es gegen Mittag mit Sicherheit besser werden würde. Also blieben wir bei unserem Plan und tauschten die Räder gegen das Kanu. Nach einer kurzen Einweisung packten wir unseren Proviant und die Regenjacken in die Mitte des Kanus und ließen dieses zu Wasser. Es hörte tatsächlich auf zu regnen noch bevor wir den Eingang zum Schiffstunnel passierten. Im Schiffstunnel war es stockdunkel und wir paddelten in der Mitte der Lahn, um nicht am Rand anzustoßen. Der Weilburger Schifffahrtstunnel ist der älteste und längste heute noch befahrbare Schiffstunnel in Deutschland. Er unterquert auf einer Länge von 195 Metern den Mühlberg, auf dem sich die Stadt Weilburg befindet. Der Tunnel wurde zwischen 1844 und 1847 errichtet und bildet heute zusammen mit den parallel verlaufenden Straßen- und Eisenbahntunneln das sogenannte Weilburger Tunnelensemble welches einzigartig in Europa ist. Am Ende des Tunnels befindet sich eine Doppelschleuse, die den fast 5 Meter großen Höhenunterschied zwischen den Staustufen ausgleicht. Pro Schleusengang waren wir eine gute halbe Stunde beschäftigt und als wir die zweite Schleuse verließen, hatte der Regen vollends aufgehört und auch die Temperaturen waren insgesamt etwas angenehmer. Zwar war der Himmel mit einer geschlossenen, grauen Wolkendecke verhangen, aber wir waren Optimistisch und genossen die Stille auf dem Wasser. Wir paddelten gemächlich mal rechts, mal links in Ufernähe und beobachteten die Wasservögel. Hin und wieder fuhren auf dem direkt am Ufer verlaufenden Radweg, einige Mutige Radler die uns fröhlich zuwinkten. Hier sahen wir erst, wie langsam wir eigentlich unterwegs waren. Für die heutige geplante Strecke, hätten wir mit den Rädern maximal 90 Minuten gebraucht. Wir ließen uns nicht beirren und paddelten weiter. Auf der Höhe von Odersbach fuhren wir an einem Campingplatz vorbei, wo einige Camper noch mit den Nachwirkungen des Gewitters zu kämpfen hatten. Überall hatten sie ihre Schlafsäcke und Decken zum Trocknen aufgehängt und saßen missmutig vor Ihren nassen Zelten. Da hatten wir die Nacht etwas komfortabler verbracht. Am Horizont blinzelte ein bisschen blau durch die graue Wolkendecke. Mit neuem Mut paddelten wir mit kräftigen Schlägen weiter. Es machte Spaß, das Ufer schnell vorbeiziehen zu lassen um dann den Schwung langsam ausklingen zu lassen. Wir fuhren zwar Flussabwärts, aber die Strömung war so gering, dass wenn man nicht paddelte, man fast zum Stillstand kam. An der nächsten Schleife hatte sich am Ufer Sediment und Kiesabgelagert und bildete einen kleinen Sandstrand. Hier zogen wir unser Kanu an Land und stärkten uns von unserem Bordproviant. Danach ging es mit neuen Kräften vorbei an Kirschfofen bis zur nächsten Schleuse. Wir wechselten beim Schleusen immer ab, so dass einer die Schleuse bediente und der andere das Kanu durch die Schleuse fahren konnte. Die Zeit, die man brauchte um die Schleusenkammer zu füllen und wieder abzulassen, nutzen wir zu einer kleinen Entspannung. Es war gemütlich, sich im Kanu lang zu machen und etwas zu ruhen. Danach ginge es mit Schwung in das enger werdende Lahntal. Die Hänge an beiden Seiten wurden immer höher und waren dicht bewaldet. Dann öffnete sich das Tal wieder etwas und wir fuhren am Campingplatz Gräveneck vorbei. Dort zogen wir unser Kanu wieder an Land und machten eine ausgiebige Mittagspause. Ab und an hörten wir die Lahntalbahn, die halbstündlich teils sichtbar, teils durch Bäume verborgen den gleichen Weg nahm wie wir. Nach dem Wassern ging es mit etwas mehr Strömung weiter und mit fast schon als Stromschnellen zu bezeichneten Passagen erreichten wir vorbei an Falkenbach die nächste Schleuse in Fürfurt. Hier waren noch weitere Kanufahrer aufgelaufen. Wir konnten im Boot bleiben und den Luxus genießen geschleust zu werden. Wir ließen den Kanufahrern einen kleinen Vorsprung und starteten wieder gemächlich zur nächsten Etappe. Langsam konnten wir die Anstrengungen des Paddelns im Rücken und in den Armen spüren. Diese Bewegung war uns nicht so geläufig. Wir trösteten uns damit, am Abend noch einmal in den Genuss gewohnterer Anstrengungen zu kommen und paddelten tapfer weiter. „In Aumenau, das ist der Himmel immer blau“ sagt man hier in dieser Gegend. Aber das stimmte dieses Mal nicht so ganz. Zwar hatten wir mittlerweile immer wieder einmal kleine Wolkenlücken, aber als wir Aumenau passierten präsentierte sich der Himmel in dunklem Grau. Wir paddelten langsam weiter und mussten immer häufiger die Paddel kurz ruhen lassen. Es war schon anstrengender als wir gedacht hatten. Vorbei an Arfurt erreichten wir schließlich die Schleuse in Vilmar. Wir waren gerade vor dem Schleusentor angekommen, als ein heftiger Regenschauer herab prasselte. Wir konnten gerade noch das Kanu fluchtartig verlassen um auf der Schleuseninsel unter ein paar Bäumen Schutz zu suchen. Nach einer Viertelstunde war der Schauer erst einmal vorbei und wir zogen das Kanu heran um das Wasser aus dem Boot zu bekommen. Nun machten wir uns ans Schleusen. Als wir gerade in der Schleusenkammer waren und das Wasser langsam am Fallen war, brach der nächste Regenschauer los. Nun hatten wir keine Chance. Wir wurden ziemlich nass und als die Tore endlich öffneten, war der Regenschauer zwar vorbei, aber unser Kanu auch schon wieder voll Wasser. Wir leerten missmutig das Boot wieder aus und schüttelten die Regenjacken aus. Wir spielten kurz mit dem Gedanken die Tour abzubrechen, rappelten uns aber doch wieder auf, stiegen ins Kanu und paddelten weiter. Der Anblick des Lahnfelsens, dem sogenannten Konradfelsen entschädigte uns für unsere Strapazen. Der Fels besteht komplett aus Lahnmarmor aus dem auch die Vilmarer Brücke gebaut ist. Oben auf der Spitze befindet sich das König-Konrad-Denkmal welches im 19. Jahrhundert errichtet wurde. Außerdem kündigte der Fels unseren Endpunkt im nahegelegenen Runkel an. Wir mobilisierten die letzten Kräfte und paddelten bis zur letzten Schleuse vor dem Entpunkt in Runkel. Routiniert schleusten wir und paddelten mit vereinten Kräften in der, durch den vielen Regen angewachsenen, Strömung. Es war schon schwierig, das Kanu in der Mitte zu halten. Die Strömung versuchte uns vehement gegen die Pfeiler der Lahnbrücke zu drücken. Wir strengten uns an was das Zeug hielt, und schafften es schließlich wieder in ruhigere Gewässer. Die Lahn hatte hier noch so viel Strömung, dass wir fast nur steuern mussten. Der Ausstieg war direkt nach einer weiteren Stromschnelle. Wir fuhren in weitem Bogen an und paddelten wie die Weltmeister mit kräftigen Schlägen gen Ufer. Ein knirschendes Geräusch signalisierte uns, dass wir die Fahrrinne nicht getroffen hatten und schon saßen wir etwa drei Meter vom Ufer entfernt auf den Steinen auf. Das Kanu drehte sich um die eigene Achse und drohte umzukippen. Wir hatten uns festgefahren und standen quer zur Strömung. Wenn wir nicht gleich etwas unternahmen, würden wir kentern. Verzweifelt lehnten wir uns gegen die aufsteigende Bordwand und versuchten wieder frei zu kommen. Vergeblich! Nur ein Sprung aus dem Kanu rettete uns vor dem Umkippen. Glücklicherweise war das Wasser nur knapp über Knie tief. Nun war das Kanu zudem leichter und wir schafften es mit vereinten Kräften das Boot ans Ufer über die Slipanlage auf den höher gelegenen Campingplatz zu bringen. Zu allem Überfluss war zwischenzeitlich die Sonne herausgekommen und brannte zusätzlich. Wir waren fix und alle. Untenrum nass vom Sprung in die Lahn und obenrum klitschnass geschwitzt. Wir hatten aber Glück im Unglück und unsere Sachen waren im Kanu trocken geblieben. Also rasch trockene Sachen angezogen und den Kanuverleiher angerufen damit dieser mit unseren Rädern zum vereinbarten Treffpunkt kommen sollte. Nach einer guten Stunde waren die Kanus fest auf dem Hänger verzurrt und wir beluden unsere Räder. Bei Sonnenschein fuhren wir durch das wirklich sehenswerte Runkel mit seiner schönen und gut erhaltenen Burg aus dem 12. Jahrhundert. Runkel hat eine schöne Altstadt und über die historische Lahnbrücke, welche im 15. Jahrhundert erbaut wurde fuhren wir auf die gegenüberliegende Uferseite wo wir wieder auf dem Radweg waren. Wir fuhren unterhalb der Truzburg Schloss Schadeck, entlang der Lahn, in unmittelbarer Ufernähe auf dem Radweg weiter. Da wir unsere Beine heute weitgehend geschont hatten, waren wir voller Energie und Tatendrang. Wir spulten die Kilometer nur so ab und strampelten einen hervorragenden Schnitt. Wohlwissend, dass wir nur knapp 15 km bis nach Limburg fahren mussten, gaben wir noch mal alles. Auch um den drohenden Regenwolken zu entkommen, die sich am Horizont schon wieder aufbäumten. So ging es vorbei an Steeden bis nach Dehrn. Plötzlich hörten wir hinter uns ein aggressives Klingeln und noch bevor wir etwas zur Seite fahren konnten wurden wir von zwei Jungs auf Mountainbikes überholt. Moment, da hatten die Jungs sich die falschen ausgesucht. Wir gaben Gas. Ruck zuck, waren wir hinter den Beiden und machten nun Druck. Wir fuhren mit einem Mordstempo und trieben die beiden vor uns her, die ihrerseits aber auch keine Schwäche zeigen wollten. So entwickelte sich ein regelrechtes Rennen. Nach einer Weile setzten wir dem Ganzen ein Ende und die Jungs waren sichtlich erleichtert, dass wir nach rechts abbogen. Das hatte noch mal richtig Spaß gemacht und wir freuten uns noch eine Weile über den gelungenen Einsatz. Wir erreichten das Limburger Freibad und konnten uns gerade noch unter ein paar Bäumen unterstellen als der nächste Gewitterschutt herunterging. Wir nutzen die Zeit um im Internet nach einer Pension in der Nähe zu suchen und wurden bald fündig. Als der Regen nachließ radelten wir die letzten Kilometer bis zur Pension bis wir an der Lahnbrücke noch einmal vor einer roten Ampel halten mussten. Die Pension war in Sichtweite etwa 200m auf der anderen Seite der Kreuzung. Da kam der nächste Gewitterschauer, und obwohl es kurz danach grün wurde und wir schnell zur Pension sprinteten, waren wir schon wieder klitschnass. Die Pensionschefin war eine junge Mittzwanzigerin, die uns sehr nett die Garage aufschloss, damit wir unsere Räder parken konnten. Wir s chulterten unsere nassen Packtaschen und ließen uns unser, liebevoll eingerichtetes Zimmer zeigen. Nach einer warmen Dusche schlenderten wir bei bestem Wetter über die Lahnbrücke in die Altstadt um dort unter freiem Himmel ein schmackhaftes Abendessen einzunehmen. Danach besichtigten wir noch die schöne Altstadt mit seinen historischen Fachwerkhäusern und den Dom nach seinem Schutzpatron St. Georg auch Georgsdom genannt. Über 50 Jahr hatte man daran gebaut und er thront majestätisch auf dem Limburger Felsen über der Lahn. Gleich nebenan gibt es noch einen weiteren imposanten Bau zu bestaunen, der ebenfalls zu, wenn auch zu zweifelhaften, Ruhm gekommen ist. Das Domizil des ehemaligen Bischofs Tebarz van Elst, welches dem Dom fast die Show stiehlt. 31 Millionen Euro wurden hier für den Um- und Ausbau verwendet. So schön und anmutig der Bau nach Außen scheint, was hätte man mit diesem Geld alles Gutes tun können. Wir schlenderten zurück in die Altstadt und gönnten uns in einer kleinen Bierkneipe noch einen Schlaftrunk, bevor wir über die steinerne Lahnbrücke vor der Kulisse des im Dunkeln angestrahlten Domes zurück zu unsere Pension spazierten. Ein ereignisreicher Tag ging zu Ende.

 

 

 

3. Etappe - Limburg nach Wonsheim, abgebrochen - 32 km

Am nächsten Morgen galt der besorgte Blick als erstes aus dem Fenster. Regen! Das darf nicht wahr sein. Das Wetter hatte komplett umgeschlagen und hatten wir auch noch am Vorabend Hoffnung gehabt, wenigstens teilweise bei trockenen Wetter fahren zu können, sah es jetzt leider ganz anders aus. Obwohl wir es mit dem Losfahren nicht eilig hatten und das Frühstück etwas länger ausdehnten, wollte es nicht aufhören zu regnen. Auch unsere nette Pensionschefin, die sich beim Frühstück selbst um das Wohl Ihrer Gäste kümmerte, konnte nur bestätigen, was der Wetterdienst für heute ankündigte. Dauerregen mit starken Niederschlägen und Gewittern, Sturm aus westlicher Richtung und zeitweise Orkanböen. Wir beschlossen es trotzdem zu probieren und nutzen eine kurze Regenpause für unseren Start. Wir fuhren an der Schleuse unterhalb der Lahnbrücke auf den Radweg und dann entlang der Lahn in Richtung Staffel. Hier ging es über offenes Feld ohne Schutz und richtig, dort fing es wieder an zu regnen, nein zu schütten. Nach ein paar Minuten gaben unsere Regenjacken auf. In Nullkommanix waren wir patschnass. Aufgrund der Regenschlacht am Vortag waren nun auch noch unsere letzten trockenen Sachen feucht. Irgendwann musste es doch auch wieder aufhören. Leider falsch gedacht. Schutzlos strampelten wir keuchend durch die Felder um wenigsten irgendwie eine trockene Unterstellmöglichkeit zu finden. Unterhalb des Schlosses Oranienstein fanden wir diese endlich in Form einer Bushaltestelle. Wir saßen da, wie die begossenen Pudel. Es schüttete aus Kübeln, alles war nass. Was nun? Trockene Sachen hatten wir auch keine mehr. So beschlossen wir schwermütig den Abbruch unserer Tour. Das hatten wir auch noch nie. Egal wie widrig die Witterungsverhältnisse auf unseren vergangenen Touren waren. Ob der Wind am Ijsselmeer, Die Wasserschlacht an der Wasserkuppe oder die anderen Touren, wo wir nicht vom Regen verschont wurden. Die Mosel, mit über 100 Regenkilometern. Irgendwie hatten wir es immer bis zum Ende geschafft. Aber da hatten wir noch Ersatzkleidung und konnten noch einmal wechseln. Wir wollten keine Lungenentzündung riskieren und beschlossen von Limburg aus erst einmal mit dem Zug weiter zu fahren. Sollte das Wetter besser werden, könnten wir immerhin noch ein Stück an der Lahn entlangfahren. Schließlich wollten wir noch bis zur Mündung und dann ein Stück den Rhein hinunter. So früh und nach so wenigen Kilometern aufzugeben ist schon bitter. Als wollte der Regen unserer Entscheidung bekräftigen, gab er noch einmal alles und wir rutschten in die hinterste Ecke der Haltestelle um nicht noch mehr nass zu werden. Der Wind trieb den Regen in unseren Unterstand und es blieb uns nichts Anderes übrig, als diesen zu verlassen und woanders Schutz zu suchen. Also raus in den Regen und aufs Fahrrad. Lustlos radelten wir im strömenden Regen durch Oranienburg in Richtung des Diezer Bahnhofs. Die wenigen Kilometer zogen sich wie Gummi. Wir fuhren über die Lahnbrücke auf die rechte Seite der Lahn und dann nach der Schleuse erneut wieder zurück auf die Linke. Es ging mitten durch die Stadt und dann bergauf, vorbei an den vielen Ladengeschäften bis zum Bahnhof. Das einstmals prachtvolle Gebäude wurde nicht mehr verwendet und war verschlossen. Vor die Fenster waren Bretter geschraubt und das ganze Gebäude in einem sehr desolaten Zustand. Schade, dass die Bahn diese schönen Gebäude verfallen lässt. Nicht immer findet sich, wie in Weilburg ein Interessent, der das Gebäude für andere Zwecke nutzt. Wir saßen klitschnass auf dem notdürftig überdachten Bahnsteig. Es zog wie Hechtsuppe. Wenn der Zug nicht gleich kommen würde, war uns mindestens eine Erkältung sicher. Frierend warteten wir bis die Reisenden endlich alle ausgestiegen waren, damit wir unsere Räder in den Waggon heben konnten. Wir fuhren los. Vorbei an den schönsten Radwegen, direkt am Ufer, konnten wir genau sehen, was uns heute entgangen ist. Bei jedem Halt prüften wir, ob es nicht doch noch aufgehört hatte zu regnen. Fehlanzeige. So regnete es dauerhaft weiter und auch in Koblenz beim Umsteigen wurden wir wieder nass. So schwand auch unsere Hoffnung, wenigstens noch ein Stück am Rhein zu radeln. Wenigstens war der Zug schön warm und wir trockneten langsam wieder. Als wir in Bingen noch einmal umsteigen mussten, war klar, dass der Regen heute wohl nicht mehr aufhören würde. Wir stiegen in Gau-Bickelheim aus dem Zug und auf die Räder, um die letzten paar Kilometer nach Hause zu radeln. Wenigstens das wollten wir noch schaffen. Das Wetter war in Hochform und sein gesamtes Repertoire auf. Innerhalb weniger Minuten, waren wir wieder durch und durch nass. Egal, bald sind wir zu Hause, weiter geht’s. Der Wind blies uns frontal ins Gesicht. Was für eine Quälerei, warum tun wir uns das überhaupt an? Die letzten Kilometer waren noch reine Kopfsache. Eisern stemmten wir uns gegen den Wind. Die Abfahrt nach Wöllstein hinunter mussten wir kräftig mitstrampeln, da der Wind so stark blies, das wir befürchteten stehen zu bleiben. Wir quälten uns nach Eckelsheim und dann wieder gegen den frontalen Gegenwind bis zurück nach Wonsheim. Geschafft. Wir waren wieder zuhause. Auch wenn wir die letzte Etappe abgebrochen hatten, war es trotz allem wieder eine schöne Tour gewesen und eins war klar, es würde nicht lange dauern, bis wir die nächste planen würden.

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